Mit dem Fahrrad quer durch Frankreich Teil 1
Schon lange wollte ich mal wieder eine richtig lange Radtour machen. Und Frankreich mehr kennenlernen. Am Besten, beides zusammen. Nach der kleinen Anwärm – Tour auf der Vennbahnstrecke und dem Besuch in Luxemburg City – was lag da näher, als einfach mal loszufahren. Von Ost nach West durch Frankreich, bis in die Bretagne. Ziel: die kleine bretonische Hafenstadt Roscoff (oder Rosko, wie das bretonisch heißt).
Gesagt, getan. In Luxemburg habe ich mir von maps.openrouteservice.org einen .gpx – Track gezogen. Erstmal nur für die erste Etappe von Longwy an der luxemburgischen Grenze bis Rouen – wo ich „froh sein würde, wenn ich wenigstens das schaffe„. So jedenfalls meine etwas skeptische Anfangshaltung. openrouteservice.org basiert auf openstreetmap – Karten, wie ich sie auch für mein kleines Garmin – GPS-Gerät verwende. Ich habe dort die Route für Radfahrer gesucht und mit nicht für „schnellste“, auch nicht für „kürzeste“, sondern für die dritte Option entschieden. Nein, nicht „bequemste“, obwohl ich mir sowas manchmal wünschen würde. Ich glaub, das heißt „empfohlen“.
Außerdem habe ich für Frankreich eine Radfahrer – Karte auf Basis von openstreetmap auf den Garmin geladen. Hatte ich so noch nie, da bin ich gespannt, wie das aussieht.
Mit dem Zug fahre ich noch kostenlos durch Luxemburg bis zur letzten Station Rodange. Es gibt auch einzelne Züge, die bis Longwy durchfahren, aber das kostet dann satte 2,50€ für gerade mal 8km Strecke. Die kann ich mit dem Rad doch in 20 min. ohne Zusatzkosten radeln.
Naja, am Bhf. wird gebaut, ich schleppe also das schwer beladene Rad in die Unterführung und am Bahnhof wieder hoch. Die Straße danach ist auch nicht so schön – dichter Verkehr, es scheint, als ob alle endlich wieder nach Frankreich wollen nach den Corona – Sperren.
Auf dem letzten Kilometer vor der Grenze kommen mindestens 6 Tankstellen hintereinander – auf jeder Straßenseite! Und alle Tank-Kunden kommen von Frankreich. In Luxemburg wird Benzin nur gering besteuert und kostet ca. 1,10€/l. Da lohnt sich der kleine Ausflug über die Grenze schon mal.
Das ich „drüben“ bin, merke ich eigentlich nur daran, daß es keine Tankstellen mehr gibt. Und das mich gleich erstmal die Orientierung verläßt. Mit den Ortsnamen blicke ich nicht durch, außerdem ist am ersten Kreisverkehr irgendwas ein „bypass“ und eine andere Ausfahrt eher Ortszufahrt – keine Ahnung. Da muß ich erstmal Garmin „scharf stellen“. Etwas abseits der Straße hocke ich mich auf einen frisch gemähten Rasen. Doch Garmin will nicht. Die Datei scheint einen Fehler zu haben. So lade ich per LTE-Stick nochmal die Frankreich – Karte runter. Dann geht es endlich. Mein Track beginnt in Longwy am Bahnhof. Bis dahin ist es noch ein Stück. Außerdem kommt so langsam der Hunger – wäre schön, mal schnell irgendwo etwas zum Kauen zu besorgen. Garmin befragt – es gibt einen Dönermann nur 1,5 km entfernt. Also los. Doch der Weg ist etwas unerwartet steil – das Zentrum von Longwy liegt auf einer hohen Bergkuppe und die Zufahrtsstraßen führen über Serpentinen und steile Auffahrten. So muß ich schon zum ersten Mal wieder ein Stück schieben. Aber der Weg lohnt sich. Nicht wegen des Dönermanns – der hat zu, es ist erst nachmittags gegen um 3 und die meisten Gastro-Einrichtungen sind bis zum Abend geschlossen. Aber Longwy entpuppt sich als hübsche kleine Festungs – Stadt auf dem Berg, mit imposanten Wällen, Kasematten und Toranlagen, die in der Nachmittagssonne leuchten.
Doch der Hunger interessiert sich nicht für altes Gestein – ich muß nachgeben und brauche jetzt dringend was zwischen den Zähnen. Als ob er es ahnt, spricht mich einer der Franzosen vor einer kleinen Stehkneipe an und fragt nach meinen Bedürfnissen. Er nimmt sich meiner an und führt mich zu einem Restaurant gegenüber, vor dem auch einige Leute Bier trinken. Der Kneiper ist sehr nett und kann einigermaßen englisch. Schnell ist das Thema geklärt – ich folge einfach seinem Vorschlag: Eine Käseplatte. Etwas gegen den Durst? Oh ja, ich nehme auch mal ein Bier (auch wenn es für mich eigentlich viel zu zeitig ist und dazu noch auf leeren Magen). In Windeseile sind 8 Sorten Käse auf einer Holzplatte drapiert, dazu ein Korb mit ebensovielen Brotscheiben. Ich nehme draußen an einem Faß – Tisch Platz und beginne – ein Festmahl. Das ist nicht einfach Käse, das ist ein Gaumenschmauß! Natürlich sorgt mein Hunger dafür, daß ich das Ganze nicht gerade genüßlich langsam verzehre. Doch ich kann mich an dem achtfachen Edelschimmel trotzdem erfreuen.
Anschließend drehe ich eine Runde in der Stadt. Das Fahrrad mitsamt Gepäck lasse ich gleich bei der Kneipe stehen. Es sind einige, die mich während meines Mals über meine Reise befragt haben und jetzt erstmal ein Auge auf das Rad haben.
Die Festungsanlagen sind schon beeindruckend. Auch einige Häuser, die wohl als Wachstuben und Amtsräume für die Besatzung gedient haben, versetzen ein wenig ins 19. Jahrhundert. Was ich auch gut finde – hier ist nicht immer alles gleich auf „Hochglanz poliert“ wie in Deutschland, was sich historisch vermarkten läßt und damit eventuell Geld einbringt. Die Gebäude haben schon länger keinen Malerpinsel gesehen und etwas „Patina“ auf den Mauern. Gerade deshalb wirkt aber alles viel authentischer und nicht so wie eine History-Disneyland. Ich bin schon dafür, historisch wertvolle Gebäude zu erhalten – doch wir sollten auch akzeptieren, daß alles mal altert und „reift“ und nicht immer perfekt und neu aussehen muß…
Der Markt von Longwy ist zum großen Teil Parkplatz, aber Kirche und Rathaus passen gut zum Eindruck der alten Festungsstadt. Amüsieren kann ich mich in Frankreich immer wieder über so einige Zusatzzeichen zu Verkehrsschildern. Einer der Höhepunkte neben dem Rathaus von Longwy: Ein Halteverbots Schild mit dem Hinweis „Sauf Police“…. kann sich jeder denken, was ich mir darunter vorstelle….
Im Citycarrefour kaufe ich mir noch die nötigsten Dinge für die nächste Etappe, dann mache ich mich auf den Weg. Jetzt muß ich erstmal irgendwie vom Berg runter und auf meinen Track kommen. Rasende Abfahrt, dann geht es eine elende Ausfallstraße entlang.. Als ich schon denke, na, radfahrfreundlich ist dieser Track aber nicht, kommt auf einmal ein Fuß-/Radweg im Flußtal. Weg von der Straße, so macht das Radeln Spaß! Kann gern bis Rouen so weitergehen!…
Zu früh gefreut. Bald ist dieser Weg zu Ende und ich bin wieder auf einer Straße unterwegs. Natürlich nicht, ohne bereits an einem ersten alten Schloß vorbeizukommen. Und ein komischer Turm steht auch neben der Straße. Das Ungetüm entpuppt sich als alter Hochofen, der gerade untersucht und dann wohl auch als technisches Denkmal konserviert werden soll.
Mittlerweile ist es Abend geworden und ich mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Für heute habe ich keine Lust mehr, weiterzuradeln. Vor einer weiteren Anhöhe kommt seitlich ein kleiner Bachlauf aus den Bergen. Links und recht davon sind die Hänge bewaldet. Ich gehe ein Stück den Pfad rein, der neben dem Bach verläuft. Auf der anderen Seite des ausgetrockneten Bachbetts liegt auch ein Weg – schon lange nicht mehr befahren und reichlich zugewuchert. Dorthin schiebe ich jetzt mein Rad – Böschung runter, ein Stück den Bachlauf entlang, eine andere Böschung hoch. Der Weg ist eben, trocken und mit Gras bewachsen. Das hier heute noch jemand langkommt, ist kaum zu erwarten. So wird das mein Nachtlager. Zwischen zwei Bäumen spanne ich die Leine, darüber kommt das Tarp gegen Tau und eventuellen Regen. Schlafsack und Isomatte drunter und ab in die Koje. Mal sehen, was der nächste Tag bringt. Weiter auf diesen Straßen habe ich eigentlich keine Lust….
Doch erstmal geht es am Morgen auf der Straße weiter… Nachdem ich mich den ersten Berg für diesen Tag hochgekämpft habe, finde ich gleich am Ortseingang einen kleinen Imbiß- Platz mit Tisch und Bank. Diese Gelegenheiten nutze ich immer gern für mein Frühstück. Ja, ich gewöhne mir sogar an, morgens frisch ausgeruht erstmal einige Kilometer zu radeln, bis ich so einen Platz entdecke und laß mich dann zum Frühstück nieder. Heute checke ich sogar mal mit dem Computer meine mails. Das ist ja leider ein Problem – weil ich keine Stromquelle habe. Die paar Stunden, die der Akku hält, möchte ich möglichst nicht verschwenden. Wegen Corona haben noch viele Einrichtungen geschlossen und damit ist der Zugang zu Steckdosen sehr begrenzt.
Neben dem Frühstücksplatz auf der Wiese entdecke ich eine Weinberg – Schnecke und mache gleich mal ein paar Fotos, wie sich das Tierchen über die saftigen Wildsalat- Blätter kämpft.
Dann geht es durch den Ort und erstmal wieder bergab. War mir schon klar, daß diese Strecke bergig werden würde. Erst sind es die Ausläufer der Ardennen, dann der Argonner Wald, dazu immer wieder Bach – und Flußtäler.. Die Küste liegt nördlich, d.h. die Flüsse entwässern nach Nord und eine Fahrradroute von Ost nach West muß immer wieder Flußtäler schneiden. Im nächsten Ort, es geht wieder bergauf, steht oben ein älterer Mann. Als er mich sieht, zieht ein Lächeln über sein Gesicht und er ruft freudig aus „Allez, allez allez…“
Mittlerweile habe ich mich auch mit diesen Straßen abgefunden. Es stellt sich nämlich heraus, daß – abgesehen von den Zufahrten größerer Orte – die vorgeschlagenen Wege über ganz kleine, wenig befahrene Straßen der untersten Kategorie verlaufen. openrouteservice hat da wirklich schöne Strecken herausgesucht :-). Manchmal bin ich eine halbe Stunde unterwegs, ohne irgend ein Auto oder einen Menschen zu sehen. Dann komme ich durch kleine Dörfer, wenige Häuser, eine Kirche, die „Mairie“ mit bleu blanc rouge – Banner und vielen bunten Blumenkästen (das Bürgermeisteramt), schon ist es wieder vorbei und in der Ferne taucht der nächste Kirchturm auf. In etwas größeren Orten gibt es oft noch eine Bar – ich sage schnell „FDJ-Laden“ dazu. Denn draußen finde ich u.a. FDJ – Werbung, was wohl eine Form des Lotto’s in Frankreich ist. Ich assoziiere damit was anderes – heute:“ Aha, dort gibts meinen Frühstückskaffee!“ Aber als alter Ossi natürlich die „FDJ“, die „Freie Deutsche Jugend“ die ich in freier Entscheidung Ende 1988 verlassen habe, was mir einige Schwierigkeiten bis hin zum Jobverlust im Frühjahr ’89 eingebracht hat. Die FDJ war die quasi-verpflichtende Jugendorganisation in der DDR, ohne die man eigentlich kein Studium beginnen konnte… Jedenfalls habe ich mir in den ersten Tagen der Radtour durch Frankreich in den FDJ-Läden immer nach dem Frühstück meinen Morgenkaffee gegönnt.
Leider gehören in dieser Region auch überall die Denkmäler für die Opfer des ersten Weltkriegs, seltener die für den 2. Weltkrieg, mit zum Ortsbild.
Viele der Häuser in den Orten sind zwar sichtlich älteren Baujahres, aber charakteristisch gestaltet. So eine Art Klassizismus auf dem Lande. Manchmal sind es richtige kleine Landschlößchen, Chateaus sogar mit Parkanlagen und Allee rundherum. Das wirkt irgendwie viel „kultivierter“, als es in Deutschland so zu sehen ist.
Die Fahrt geht durch abwechslungsreiche Landschaft. Hügelketten ziehen sich leider meist quer zu meiner Fahrtrichtung dahin. Diese sind normalerweise bewaldet. Dazwischen liegen Ebenen, in denen Getreide reift, Kühe auf Weiden stehen, manchmal auch Mais oder Lein wächst. Die engen Straßen liegen oft zwischen zwei Wällen, die mit Heckenpflanzen gekrönt sind. In den Straßengräben blühen Wicken, Trichterwinden und viele andere Blütenpflanzen – es sieht ziemlich bunt aus.
Die nächste Nacht verbringe ich am Rande eines Waldes hinter der Saumhecke. Zuvor habe ich auf dem angrenzenden Feldweg eine Suppe als Abendbrot gekocht. Das war der erste Versuch mit einem Bierdosen – Spirituskocher. Bereits in Kalterherberg habe ich noch eine Flasche Brennspiritus zu meinem Vorratsspeicher in der linken Fahrradtasche hinzugefügt. In Longwy im carrefour dann die dazugehörige Büchse Bier. Diese wurde aufgeschnitten und mittig gekürzt, die zusammengeschobenen zwei Teile sind nur noch rund 4cm hoch. Seitliche Löcher um den Deckelkranz sollen die Brennerdüsen darstellen. Zwei, drei Kappen Spiritus rein in den Behälter, anzünden, los gehts…. Naja, so ganz überzeugend ist das Ergebnis noch nicht. Ich muß desöfteren neu anzünden, der Wind pustet die Flamme mehrfach aus. Aber eine Suppe krieg ich dann doch hin. Da es lange hell ist, mache ich es mir an einem Baumstamm mit der Isomatte bequem und schreibe auf dem Rechner meinen Beitragstext zur Vennbahn – Radtour. Leider soll das mangels Strom der letzte Text für längere Zeit sein. Meine Illusion vor der Abfahrt war, desöfteren mal irgendwo Essen zu gehen und dann nebenbei den Rechner laden zu lassen. Und die langen Abende des Juni zum Schreiben zu nutzen. Daraus wird leider nichts – viele kleine Imbißstuben haben nur take-away wegen Corona und auch die zugänglichen Steckdosen sind äußerst rar…
Am Morgen geht es noch ein Stück schön durch den Wald und dann wieder zwischen Weideland entlang. Hinter einem Abzweig treffe ich bei Damvillers auf einen deutschen Soldatenfriedhof von 1914-18. Bis Verdun ist es nicht weit… Doch ein wenig bewegt schaue ich mir die langen Reihen der Kreuze an. 1113 sinnlos vergeudete junge Leben.
Einige Kilometer weiter kommt der nächste Friedhof. Das ist eine richtige Parkanlage, mit Rotunde auf der Durchfahrt und rechts und links auf leichten Anhöhen die Gräberfelder mit hunderten weißen Kreuzen, exakt ausgerichtet in Reih und Glied. Ein Glockenturm steht am Rande, aller viertel Stunde wird ein Glockensignal angespielt, zur vollen Stunde gibt es eine ganze Melodie. Fahnen wehen und verbreiten Heldenpathos. Das ist ein amerikanischer Soldatenfriedhof.
An der Zufahrt zum angrenzenden Ort gibt es einen kleinen klaren Bachlauf und daneben mal wieder einen guten Frühstücksplatz. Ordentlich gestärkt kann ich die Fahrt fortsetzen.
In den ersten Tagen kommen mir immer wieder Zweifel, ob ich diese lange Strecke von Longwy bis Roscoff in der Bretagne überhaupt durchhalte. Zumal mich die Berge tatsächlich ganz schön schaffen. Und Garmin zeigt als Tages-Etappe oft nur 38 – 45 km an, das ist ja tatsächlich nicht viel. Allerdings ist das, wie sich später bestätigt, nur die Luftlinien – Entfernung. Die tatsächliche Strecke ist wegen der vielen Kurven, Serpentinen, Taleinschnitte usw. ein ganzes Stück länger. Und der gpx-Track, dem ich so weitestgehend folge, zeigt ja die Fahrkilometer an. Naja, trotzdem, die liegen allein bis Rouen bei reichlich 450km. Am ersten Tag, wo ich auch noch wegen der befahrenen radunfreundlichen Straßen genervt war, habe ich sogar in Longuyon den Bahnhof angesteuert. Dort wollte ich rauskriegen, was die Reise mit dem Zug kosten würde. Und ob ich mit dem Fahrrad überhaupt mitfahren kann usw. Aber leider ist der Service dazu sehr begrenzt. Am Bahnhof war niemand, einen Automaten mit Informationen gab es auch nicht. Die Aushänge verrieten nicht viel. Wie es aussieht, ist der Regionalverkehr in Frankreich tatsächlich rein auf die Regionen konzentriert – überregional fährt nur der TGV. Und das war für mich eher keine Option.
Eine andere Phantasie war zwischendurch mal, ein Moped zu kaufen. Ich bin ja wirklich mit dem Gepäck nur mit 10-15km/h Durchschnittsgeschwindigkeit durch’s Land geschlichen. Selbst ein Moped mit max. 45km/h wäre dreimal schneller. Und dann war mein Hauptargument für diese wiederkehrende Überlegung, daß so ein Moped 12V- Strom erzeugt. Mit ein wenig Bastelei könnte ich da ein Netzteil für den Laptop anschließen und wäre somit stromtechnisch unabhängig.
Doch je weiter ich mit emsigem Strampeln komme, umso mehr habe ich diese Vorstellung begraben. Es geht ja doch vorwärts… Eine Erinnerung hat mich dabei desöfteren beflügelt. In Südspanien habe ich in einer Art Ökosiedlung mal vor Jahren einen jungen Schotten getroffen, der bis dorthin von Schottland aus mit Rad und kleinem Anhänger gefahren ist. Er wollte später weiter nach Marokko! Im Geiste habe ich ihn nachträglich nochmal bewundert.
Das Thema Körperpflege ist natürlich ebenfalls auf so einer Tour virulent. Wie schon auf dem Vennbahn – Radweg wollte ich wieder jede „natürliche“ Waschgelegenheit nutzen. Bei dem schönen Wetter Mitte Juni ist ein Vollbad doch die beste Möglichkeit. Und diese ergab sich am dritten Tag wiedermal ganz plötzlich, als der Weg über einen kleinen Fluß führte. Unter der Brücke erstreckte sich eine Kiesbank und sorgte flußab für ein ruhiges sonnengewärmtes Becken. Leider waren neben den Leitplanken der Brücke links und rechts Weidezäune, auf einer Seite sogar dichtes Buschwerk noch dazu. Aber an der südlichen Leitplanke gab es ein kleines Schlupfloch, nur wenig zugewachsen. Mit meinem Mini-Multitool vom Chinamarkt in Bangkok habe ich die dornigen Zweige der Schlehen soweit gestutzt, daß ich mein Fahrrad den schmalen Pfad hindurchschieben konnte. Naja, die Brennesseln mußte ich einfach ignorieren und auf baldige Kühlung hoffen. Dann mit großen Schritten die Böschung runter und schon gelangte ich über die Kiesbank unter die Brücke. Dort schnell raus aus den Klamotten und rein ist frische Naß! Das tut gut!
Es wundert mich fast ein wenig, daß hier nicht mehr Bader unterwegs sind. Wenigstens die Dorfkinder könnten doch für so eine schöne Badestelle dankbar sein… Erfrischt und sauber setze ich meinen Weg fort.
An einem Zeltplatz frage ich nach Einkaufsmöglichkeiten. Es ist nämlich Wochenende – hab ich nicht so recht bedacht – und meine Vorräte sind am erschöpfen. In den winzigen Orten gibt es – wenn überhaupt – nur einen Tante Emma – Laden, und der schließt Samstags schon gegen 12. Der freundliche Zeltplatzwart bemüht sein weniges deutsch und verweist auf eine Tankstelle mit kleinem Shop. Das sind 5km, leider in der falschen Richtung. Ich kaufe vorsichtshalber bei ihm noch eine völlig überteuerte Flasche Wasser und mache mich trotzdem auf dem Weg zu dieser Tanke. Diese ist nun auch nicht ganz billig, hat aber etwas mehr im Angebot. Nur Brot bzw. Baguette gibt’s wieder nicht. Meine Frage danach versteht die Kassiererin mit Maske und hinter Plexiglas total falsch und bietet mir Kartenzahlung an. Dafür krieg ich auch kein Brot. Draußen beginnt es leicht zu regnen. Ich mach den Orangensaft auf und trinke erstmal die halbe Pappe leer. Als ich mich umdrehe und umschaue, fällt mir so ein roter Kasten am Rande der Einfahrt auf. Da fällts mir wieder ein – der Zeltplatzwart hatte doch von so einem Brotback – Automat gesprochen! Tatsächlich entpuppt sich das Ding als solcher. Das scheint der neueste Schrei in Frankreich zu sein. Man steckt einen Euro rein, dann rumpelt’s eine Weile, nach rund einer Minute öffnet sich vorn eine kleine runde Klappe und ein ofenwarmes Baguette schiebt sich Spitze voran heraus. Naja, daß dieses in der kurzen Minute „gebacken“ wurde, glaubt auch nur der Weihnachtsmann. Ist mit aber jetzt egal – mein Frühstück für den Sonntag morgen ist gesichert!
Bei leichtem Nieselregen setze ich meine Fahrt fort. Zum Glück hört es bald auf, doch das superfreundliche Wetter scheint erstmal etwas vorbei zu sein. Ich befinde mich im Tal der Meuse (Maas). Eigentlich wollte ich diese schon im Sivry-sur-Meuse queren. Doch wegen dem Abstecher zur Tanke „Meuseaufwärts“ fahre ich jetzt doch ein ganzes Stück im Flußtal entlang. Leider zum Teil auf etwas belebteren Straßen. Dabei verläuft daneben eine alte, zugewachsene Bahnstrecke. Jetzt wünschte ich mir mal wieder so einen Radweg wie den der Vennbahn! Naja, ich fahre noch, bis meine Kräfte nachlassen und nach einem Nachtlager verlangen.
Der nächste Tag ist ein Sonntag und ich nähere mich Reims. O.k., ich muß mich der Frage stellen, mache ich den Abstecher dorthin oder nicht. Denn eigentlich führt mein Track nördlich an Reims vorbei und der (dritte) Besuch in dieser schönen Stadt wird mich rund 30km mehr Strecke und mindestens einen halben Tag kosten. Aber was soll’s – Reims per Rad, wer kann das schon auf seiner Tourenliste verbuchen? Immerhin ein erster Ort, von dem ich mal Etappenbilder an Freunde verschicken kann. Sprich, wo vielen sofort einfällt, wo das liegt und wie weit weg das eigentlich ist. Also los. Heute wird’s nichts mehr, aber morgen. Und ich muß sowieso noch irgendwie einkaufen, auch wenn Sonntag ist. Bei dem Wetter habe ich abends Bierdurst und ein ordentliches Frühstück mit Baguette ist einfach auch nötig. Garmin verrät mir, daß der nächste intermarché auf der Strecke Richtung Reims liegen soll – 10km blöde Hauptstraße. Was tut man nicht alles für sein Feierabend – Bier. Inzwischen geht es über weite Agrarsteppen. Nur Felder, Felder, Felder. Hochspannungsleitungen als einzige Abwechslung. Kann ja spannend werden, wo ich heute einen Schlafplatz finde. Der Ort Pontfaverger – Moronvilliers mit dem Intermarchè entpuppt sich als kleines Städtchen an einem Fluß. Leider ist die Tanke vollautomatisch und der Intermarché geschlossen. Der Park daneben lädt richtig zum Baden im Fluß ein – doch überall stehen große Baden verboten! – Schilder. Könnte auch etwas gefährlich sein, es ist eine schnellfließende Strömung. Kaum zu glauben in diesem relativ flachen Land. Auf der Suche nach anderen Einkaufsmöglichkeiten drehe ich noch ein paar Runden durch die Stadt. Dabei fällt mir eine „Boulangerie“ auf, vor der immer wieder Autos halten. Die hat offen, am Sonntag abend! Dort kriege ich mein Brot – und nach einem Blick in den Kühlschrank auch noch mein Bier! Da steht 86 drauf… etwas teuer, aber naja. Nach einem Tag Radfahren einfach mal verdient.
Jetzt stellt sich noch die Frage nach meinem Schlafplatz. Unterhalb von Fluß und Park ist ein zum Wohnhaus umgewandelter Bahnhof und wieder eine aufgegebene, zugewucherte Bahnstrecke. Dahinter ein Feldweg. Den fahre ich erstmal entlang, immer mit Blick auf Gebüsch, versteckte kleine Grünflächen usw. Doch das wird hier nichts – auf der anderen Seite ist weiter alles bebaut. Trampelpfade weisen darauf hin, daß die Hausbesitzer hier mit ihren Hunden gassi gehen. Und nichts ist unangenehmer, als frühmorgens vor dem Aufstehen von einem kläffenden Hund geweckt zu werden. An dessen Leine dann noch ein neugierig glotzender Hundegeführter hängt. Die Openstreetmap – Karte auf dem Garmin zeigt mir in rund 1,5km Entfernung ein paar kleinere Wäldchen zwischen den Feldern an. Leicht den Hang hinauf, sehe ich diese auch. Nur das mir der Weg dahin eigentlich zu offen(-sichtlich) ist. Naja, dann ist das eben so. Es ist abends halb neun, da werde ich wohl doch mal eine kleine Radtour in den Wald machen dürfen.
Es handelt sich um ein Kiefernwäldchen, etwa 30 Jahre alt, die Pflanzreihen sind noch gut zu erkennen. Leider liegt an einigen Stellen am Waldrand Müll rum. Ich schiebe mein Rad zwischen zwei Reihen durch und suche nach einer geeigneten Stelle. Ein schöner weicher Platz auf der Nadelstreu, durch einige umgefallene Bäume halbwegs zum Weg hin verdeckt. Schnell ist das Tarp aufgebaut, denn es fängt mal wieder an zu regnen. Dann genieße ich das Bier – hoppla! Das ist ja stark – die 86 erkenne ich jetzt als 8,6 und das ist der Alkoholgehalt. Na, nicht von schlechten Eltern 🙂 Wie war der Spruch zum guten Leben von Harald Juhnke? Mir fällt immer nur der zweite Teil ein „… und leicht einen sitzen!“° So fühle ich mich gerade, leicht angetörnt, frei und ungebunden, mit einem schönen Stück Weg hinter und noch einigen Abenteuern vor mir. Meine Gedanken fließen und es ist einfach nur schön…
Die Nacht bleibt ohne Störungen, der Regen hört irgendwann auf und ich kann gut schlafen.
° (Befragt nach seiner Vorstellung von Glück antwortete Harald Juhnke mit dem Spruch „Keine Termine und leicht einen sitzen.“)
Am anderen Morgen fahre ich nochmal zurück in den Ort Pontfaverger – Moronvilliers: Einkaufen im intermarchè, die Vorräte auffüllen. Mit dem Rad kann ich nicht allzuviel mitschleppen, deshalb muß ich häufiger die Gelegenheiten zum Einkauf am Wegesrand nutzen. Für mein Frühstück habe ich Honig dabei, wegen des Gewichts und der Handhabung in so einer Plaste -Furz-Flasche, wo der Honig durch Drücken raustropft. Leider deshalb nur Honig „aus Eu- und Nicht-EU – Ländern“, also zusammengepanschter Abfallhonig. Normalerweise bin ich gerade bei Honig für lokale Ernte, schon wegen der besonderen gesundheitlichen Wirkungen.
In dem Laden mache ich mich jetzt mal auf die Suche nach einem zweiten morgendlichen Energiespender. Und das mit Erfolg – Es gibt eine Discounter – Schokocreme im Riesenglas. Und das ist kein Glas, sondern auch Plaste. Sonst würde ich mich dagegen sträuben – Glas läßt sich wenigstens richtig recyclen (habe ein Jahr im Glaswerk gearbeitet!). Aber hier geht’s um das Gewicht, hier muß ich ein Limit setzen. Und so wandert dieser halbe-Kilo-Becher Schokocreme, seit meinen Studentenzeiten „Wagenschmiere“ genannt, in mein „Food-compartement“. Sprich – linke Fahrradtasche. Genau das brauchte ich noch zum power- Frühstück.
Ja, und dann fehlt nochwas – der Kaffee. Da weder Tankstelle noch Intermarché einen Kaffee-Automaten haben, schleiche ich leicht süchtig weiter in Richtung Stadtzentrum.
Dabei komme ich an einer Pizzeria vorbei, wo ich gestern abend dachte – ‚Wäre schön, wenn die offen wäre…‘ Heute steht die Tür offen und ich sehe zwei, drei Männer drinnen. Ob ich da mal… Ja, ich frag einfach nach Kaffee, Corona hin oder her! Und siehe da, schon wird die Espressomaschine angeworfen und 3 Minuten später steht ein dampfender schwarzer Kaffee vor meiner Nase! Beste Aussichten auf den perfekten Montag! Der kostet dann auch noch nur einen bescheidenen Euro!
20 min später bin ich wieder auf der Piste. Da Reims nicht zum Track gehört, habe ich Garmin nach dem besten Cycle-Way gefragt und er hat mir einen Vorschlag ausgespuckt. Leider lande ich dann bald auf einem Auto-Route-Begleitweg, also dem Serviceweg neben so einer Schnellstraße. Schlechter Belag, Lärm und Dreckluft von der Straße.. kein schönes Radfahren. Doch damit habe ich fast gerechnet. Die großen Städte haben eher selten schöne fahrradtaugliche Zufahrten.
Am Ortseingang Reims hört selbst dieser Seitenweg auf und ich muß zeitweise auf die Straße, die jetzt „nur noch“ eine einfache Hauptstraße ist. Inzwischen ist es fast schon um Zwei und mein Magen knurrt wieder verdächtig. Na, wenigstens wird das Wetter immer besser, blauer Himmel und freundlicher warmer Sonnenschein begrüßen mich hier. Wie in vielen französischen Städten kommt irgendwann die Kreuzung, wo wenigstens die LKW nicht weiterdürfen und ich muß mich nur noch mit PKW und Motorrädern rumplagen. Zeitweise gibt es sogar eine Busspur, die ich als Radfahrer mitbenutzen darf. Und dann finde ich mal wieder einen Dönermann, das muß ich zugunsten meines Magens ausnutzen. Leider aber wieder keine Steckdose…
Gestärkt und von der Sonne erwärmt, schlage ich mich jetzt endgültig zum Zentrum durch. Vor dem Rathaus gibt’s auch in Reims den inzwischen immer öfter verbreiteten Städtenamens-Schriftzug im Großformat. Ich lehne mein Rad also an das „S“ und positioniere meine Kamera für ein paar Selfies. Da bin ich schon ein Stück Stolz drauf, daß ich es inzwischen wenigstens bis Reims geschafft habe! War vor fast 20 Jahren zum ersten Mal mit einem Freund und seinem kleinen Cabrio dort – der wird staunen, wenn er das Bild sieht und mich mit dem Fahrrad darauf!
Dann mache ich einen Stadtbummel. Eigentlich immer irgendwie mit dem Vergleich im Kopf zu meinen vorherigen beiden Besuchen – das erste Mal mit einem Freund und seinem Cabrio, das zweite Mal war ich mit dem Flußboot unterwegs und hatte für ein paar Stunden „Landgang“ in Reims. Heute dominiert die Angst vor Corona das Stadtbild – nicht mich, aber es sind so gut wie keine Touristen zu sehen. Bis auf ein paar Schüler auf dem Heimweg habe ich die Kathedrale und die Plätze rundherum fast für mich allein. Ein Nachteil bei Radtouren ist, daß Du immer irgendwie mit einem Auge und Arm beim Rad bist. Lange Museums – oder Kathedralenbesuche sind schwierig zu realisieren. Aber es ist sowieso fast alles geschlossen, was besichtigenswert wäre.
Dann mache ich mich zu Fuß, das Fahrrad schiebend, auf den Weg in Richtung Westen. Ich will zum Canal del Aise a la Marne, auf dem ich bei meinem zweiten Besuch Reims durchquert habe. Einerseits der Erinnerungen wegen und weil dieser Wasserweg durch die Stadt mit seinem kleinen Hafen und den Hausbooten einen schönen Anblick bieten. Andererseits aber auch, weil neben dem Kanal in Richtung Nordwesten ein Weg verläuft – und der bietet eine gute Möglichkeit, Reims wieder zu verlassen. Neben dem Kanal ist der Pfad natürlich auch ohne nennenswerte Steigung und an diesem heißen Nachmittag ein erfrischender Verlauf im Grünen. Nach einer Runde um den Hafen (Port de plaisants – Freizeithafen) und über die Brücke an der Schleuse fahre ich am Westufer nordwärts. Am Reims Congress-Center vorbei beginnt bald eine ältere Industrielandschaft auf der Ostseite mit verfallenden Kaimauern, rostenden Entladeanlagen und überwuchernden Gleisanlagen. Mehrere Brücken kreuzen Kanal und Radweg. Anfangs ist noch ziemlich Leben auf den Wegen – Spaziergänger, Jogger, Radsportler wuseln durcheinander und ich muß mit meinem überbreiten, trägen Rad etwas aufpassen. Vor unübersichtlichen Stellen an den Brücken lasse ich schon mal meine indische Zweiklangklingel ertönen. Doch außerhalb von Reims hört der ausgebaute Teil plötzlich mit einem Schlag auf und es gibt nur noch einen halb zugewucherten Pfad zwischen hohen Gras. Trotzdem fahre ich weiter, immer mit dem Optimismus, das der Kanal über die ganze Strecke begleitbar ist. Vor mir in einiger Entfernung läuft ein Jogger. Aber auf dem schmalen Weg mit einigen Grasbuckeln und mit dem Gepäck über meinem Hinterrad hole ich den nicht ein.
Später, an einer der nächsten Schleusen, ist der Buckelweg vorbei und es gibt wieder einen gepflegteren breiten Splittweg. Diese Schleusen sind alle ziemlich gleich aufgebaut. Im 19.Jahrhundert errichtet, stehen aus dieser Zeit noch überall alte Schleusenwärterhäuschen mit kleinen Gärtchen. Manche sind am verfallen, einige inzwischen normale Wohnhäuser. Auf Tafeln ablesbar jeweils der Name und die Entfernung zu den nächsten Schleusen kanalauf- und abwärts. Das sieht so ähnlich aus wie Schrankenwärter – Häuschen. Direkt an den Schleusen sind vermutlich in den 60er oder 70er Jahren modernere Dispatcher – Häuser mit großen Glasfenstern gebaut worden. Die sind augenscheinlich bis auf den letzten Dübel alle gleich. Aber auch diese Zeit ist vorbei – inzwischen geht der Betrieb der Schleusen meist mit Selbstbedienung. Dazu hängt rund 100m vor der Schleuse ein Stab über dem Kanal. Durch Drehen kann der Bootsführer daran die Schleuseneinfahrt freischalten.
Inzwischen ist der Weg neben dem Kanal sogar wieder ein asphaltierter Radweg. Schnell komme ich voran in der warmen Abendsonne, rechts neben mir das türkisblaue Wasser des Flußlaufs und zu beiden Seiten ein grüner Gürtel aus Büschen und Bäumen. Dahinter liegen meist Felder mit Getreide, Mais oder Weideflächen. Einigemale auch sumpfige Wälder. Angler sitzen im Umfeld der kleinen Ortschaften auf der Pier. Keine Schiffe, kein Verkehr. Auch auf dem Weg bin ich die meiste Zeit allein. Ein paar Spaziergänger manchmal, selten ein anderer Radfahrer.
Kurz vor Berry-au-Bac macht der Kanal einen weiten Bogen. Hier setze ich mich auf die Uferböschung im Schatten eines Baumes und mache erstmal Abendbrot. Dann fahre ich den Bogen herum. Ein Flußschiff ist gerade dabei, am Kanalufer festzumachen. Zwei weitere liegen schon hier. Ein schöner Ankerplatz für eine ruhige Nacht. Neben dem Kanal befindet sich eine Mühle, deren Rohre zum Mehl verblasen am Kanal enden. Ob die alle hier morgen laden wollen? Dahinter stoße ich auf die Aisne – der Kanal mündet mit einer Schleuse in den Fluß. Oder eigentlich nicht. Auch das ist ein Kanal, der Canal lateral a l’Aisne. An vielen der mäandrierenden Flüssen wurden wohl im 19. Jahrhundert parallel verlaufende schnurgerade Kanäle gebaut, auf denen die Schiffahrt möglich wurde. So besteht gerade im Nordosten Frankreichs bis hin nach Belgien und die Niederlande ein verzweigtes Transportnetz, welches zumindest teilweise heute noch genutzt wird. Einige der Strecken dienen aber nun vor allem dem Wassertourismus. Die Aisne verläuft nördlich des Kanals. Über mehrere Brücken fahre ich über das Kanal-Mündungs-T und zum eigentlichen Flußlauf. Es gibt auch einen kleinen Caravan – Stellplatz hier, einschließlich „Entsorgungsstation“. Die Aisne selbst ist ein sich windender Wasserlauf in der Landschaft mit einem kleinen begleitenden Auenwald.
Am Lateral-Kanal entlang verläuft wieder ein Weg westwärts. Dieser ist zwar gemäht, aber im Grunde nur ein Wiesenstreifen, kein richtiger Weg. Das wird mir zu anstrengend für heute und es sieht auch nicht danach aus, daß hier irgendwo demnächst ein guter Lagerplatz zu erwarten ist. Deshalb fahre ich die rund 2km zu meinem Abendbrot – Platz zurück. Es ist schon nach acht, aber die Sonne steht noch wärmend am westlichen Himmel. Das muß ich ausnutzen – ich gehe erstmal in dem sehr klaren, erfrischenden Wasser des Kanals baden. Anschließend sitze ich noch über eine Stunde auf der Böschung und lese mit dem eReader. Nachdem die Sonne untergegangen ist und die Dämmerung über das Land hereinbricht, schiebe ich mein Rad die Böschung hoch und einige Meter am Feldrand entlang hinter die Büsche. Ich bin immer darauf bedacht, ja keine Feldpflanzen zu beschädigen. Hier ist es Weizen, welcher schon weit gereift ist. Auf dem Feldrain mache ich mir eine Liegefläche zurecht und rolle meinen Schlafsack aus. Auf das Tarp verzichte ich heute – regnen wird es bestimmt nicht. Mit einem letzten Blick auf den Sternenhimmel endet dieser Reisetag für mich.
Weiter mit dem Teil 2 – Radeln von Reims zum Mont Saint Michel
Teil 3 – Von Saint Malo nach Roscoff – durch die Bretagne per Rad