Unter Segeln über den Atlantik

So sollte es möglichst nicht weitergehen. Um mich herum tanzen Schneeflocken. Ich sitze auf dem Gerüst an einem Bauernhaus in der Nähe von Rudolstadt und kratze mit der Drahtbürste am Fachwerk herum. Im Juni hatte eine befreundete Familie mich angerufen. Sie haben sich diesen Hofteil gekauft und mit der Sanierung begonnen. Doch die Arbeiten ziehen sich hin. Die Frau ist als Architektin mit der Bauplanung gefordert und hat dazu noch die Tochter zu betreuen. Der Mann beginnt in Kürze ein Referendariat, um zukünftig als Lehrer arbeiten zu können – und fällt dadurch ganz aus. Auf der Baustelle geht nicht so recht was vorwärts, die Eigenleistungen gehen langsamer voran als geplant. Sie fragten mich, ob ich nicht etwas Zeit hätte und mithelfen kann. Naja, 14 Tage könnte ich schon mal was machen. Lehmbau, auf jeden Fall spannend für mich. Also begab ich mich dorthin, half in der Junihitze, die sich bis Ende August hinzog, beim Einstampfen von Lehmwänden, Ausmauern einiger Gefache, beim Dachdecken und Kläranlage einsetzen und jeder Menge Kleinkram… Aus zwei Wochen sind inzwischen fast 6 Monate geworden und der Winter hält Einzug in den Thüringer Wald.

flag UK icon

Aber zum Glück ist die Änderung schon in Sicht. Vor zwei Tagen kam die ersehnte, fast nicht mehr erwartete eMail mit der Zusage. Übermorgen sitze ich im Flieger nach Teneriffa und danach stechen wir in See. Der Atlantik ruft. Auf nach Tobago!


Der Airbus aus Leipzig umrundet das riesige Massiv des Teide und landet pünktlich in Teneriffa Süd. An Bord sind vor allem Pauschalurlauber, einige wenige Winterwanderer und – ich. Irgendwo hier auf der Insel werde ich meine Crew treffen und an Bord der Pronto gehen. Doch jetzt muß ich mich erstmal orientieren und akklimatisieren. Mit anderen auf engstem Raum, das werde ich in den nächsten Wochen noch lange genug erleben. Ein wenig Ruhe vor dem Sturm wird mir guttun. Ich verlasse das Flughafengelände zu Fuß, überquere die Inselautobahn und laufe auf der gegenüberliegenden Seite die lehmigen kahlen Vorgebirgshänge hinauf. Bald finde ich ein ruhiges Plätzchen in der hereinbrechenden Dämmerung. Ich setze mich und beobachte noch eine Weile die landenden und startenden Flugzeuge auf dem nahen Airport. Dann rolle ich meinen Schlafsack aus und lege mich in einer der vielen Erosionsrinnen zum Schlaf. Die erste Nacht auf einer abenteuerlichen Tour!

Am nächsten Morgen laufe ich zurück zur Autobahn. Dort gibt es am Abzweig zum Flughafen eine Bushaltestelle. Es dauert nicht lange und ein Bus hält neben mir, mit Ziel „Intercambiador“. Das ist die große Busstation in Santa Cruz. Mein Rucksack kommt unten rein und der freundliche Busfahrer fordert mich mit einladender Geste auf, Platz zu nehmen. Wir fahren in nördlicher Richtung, immer an der Ostküste der Insel entlang. Vorfreuden, aber auch ein gewisser Respekt steigt in mir auf. Schon bald werde ich dort draußen in Gegenrichtung auf einem kleinen Segelboot entlangsegeln. Eine faszinierende Vorstellung. Nach einiger Zeit verzweigen sich die Straßen immer mehr, der Bus biegt auf einen kleineren Zubringer ab, der um einen Felsen herum und hinunter an die Küste führt. Hochhäuser und geschlossene Straßenzüge tauchen auf und kurz darauf sind wir am modernen Busbahnhof von Santa Cruz. Wir kommen auf der oberen Ebene an – ein weiter Platz mit vielen Busspuren. Darunter weitere Etagen mit Bushaltestellen und eine Empfangshalle. Von hier aus laufe ich in Richtung Stadtzentrum. Die Marina Atlantico soll irgendwo gegenüber des Hauptplatzes Plaza de Espania liegen.

Gemächlich schlendere ich durch die Straßen. Ich war noch nie auf Teneriffa und genieße jede Minute, hier zu sein. Meine Oma hat in den 80er Jahren mal eine Postkarte von einer Freundin bekommen. Diese war noch in den 50ern aus der DDR geflohen, weil sie einer „bourgeoisen Fabrikbesitzerfamilie“ angehörte und in der stalinistischen DDR ein schweres Los hatte. Jetzt verbrachte sie den Winter auf Teneriffa. Das Hotelhochhaus auf der Postkarte war nicht gerade eine Verlockung, aber der blaue Himmel, die Palmen und die sonnigen Strände dahinter brannten sich tief in mein DDR-Winter-vernebeltes Gehirn.

Nach zwanzig Minuten Fußweg und einem kleinen Imbiß ereiche ich den Plaza des Espania. Und beim Blick über die tangierende Schnellstraße sehe ich schon ein dichtes Mastengewirr. Der Weg dort rüber ist etwas verschlungen, aber kurze Zeit später habe ich es geschafft. Ein kurzer Anruf und Klaus, der Skipper, kommt über die Steganlage, mich abzuholen.

Die Pronto ist eine 15m lange Stahlketsch mit einem größeren festen Aufbau auf dem Mittelschiff, einem weniger geräumigen Cockpit dahinter und der Eignerkabine unter dem Achterdeck. Mein Platz wird die Vorschiffs-Koje gegenüber der Waschzelle sein. Dort gibt es sogar eine Doppelstock- Verteilung, wobei die obere Doppelkoje noch belegt ist. Das Pärchen wird allerdings morgen aussteigen und nicht mit über den Atlantik kommen – genügend Platz also für mich. Im Salon schläft Karsten, der bereits seit dem Aufbruch in Hamburg im August mit an Bord ist. Die Pronto liegt hier schon seit Anfang November. Ein Schaden am Kühlkreislauf und ein Riß im Großsegel waren noch zu beheben. Letzteres ist erledigt, bei den Motorklempnern heißt es immer wieder…“Manana“. Leider kostet das 1, 2 weitere Tage des Wartens. Für mich Zeit, um wenigstens Santa Cruz etwas genauer zu erkunden und abends meine Crew- Kameraden bei einem Glas Vino tinto in den warmen Straßengaststätten besser kennenzulernen.

Denn ich hatte mich schon im Frühjahr nach Möglichkeiten umgesehen, segelnd einen größeren Törn zu absolvieren und Segelerfahrungen zu sammeln. Dabei bin ich an der Pronto hängengeblieben, hatte erst die Möglichkeit von Porto bis Teneriffa angepeilt, aber leider keinen freien Platz mehr bekommen. Und nun ergab sich nach beharrlichem Nachfragen die Möglichkeit, den „Sprung über den Großen Teich“ mitzumachen!

Atlantik-Segeln: Im Hafen von San Sebastian de la Gomera auf den Kanarischen Inseln
Hafen von San Sebastian de la Gomera

Endlich geht es los! Zwar erstmal nur der kurze Törn von Santa Cruz de Tenerife bis San Sebastian de la Gomera, aber immerhin – raus, Blauwasser! Die Leinen sind los, die Pronto manövriert rückwärts aus der Boxengasse und nimmt dann südwärts Fahrt auf. Kaum haben wir die Hafenmole hinter uns, überläßt der Skipper mir das Steuer und die große Genua wird gesetzt. Ich hatte zuvor noch nicht die Erfahrung mit so einem großen Schiff gemacht, aber es fühlt sich fantastisch an. Der Wind aus Nordost treibt uns entlang der Ostküste von Teneriffa. Es dauert nicht lange, dann habe ich ein Gefühl für das Schiff, wie das Ruder mit Wind und Wellen zusammenspielt und lerne gut kurshalten.

Einige Meilen südlich von Santa Cruz liegt der Clubhafen Radazul des Club Nautico. Da erzählten uns andere deutsche Skipper, daß dort nur Clubmitglieder unterkommen – selbst bei Sturm wären einige schon abgewiesen worden. Wir nutzen die Gelegenheit, in diesem Hafen nochmal Diesel zu bunkern. So ganz nebenbei fragt der Skipper, zu welchem Preis wir dort liegen dürften – eigentlich nur, um zu testen, ob wir tatsächlich abgewiesen werden. Aber nichts dergleichen. Nachdem wir ordentlich Diesel aufgenommen haben, wäre auch das Festmachen im Clubhafen kein Problem.

Wir wollen jedoch weiter, nach den Rechnungen der Herren an meiner Seite sind wir sowieso schon im Zeitverzug. Die Herausforderung – sie haben sich für Weihnachten in der Karibik mit ihren Frauen verabredet und stehen deshalb unter Termindruck. Verständlich, aber ich finde es schade, dadurch jetzt schon unter Streß zu geraten, den ich gerade beim Segeln ja nun nicht erwartet hätte.

Wir haben noch einen Monat bis Weihnachten. Der Weg soll von La Gomera erst auf die Kap Verden führen, wobei zum ursprünglich mal geplanten „Inselhopping“ schon definitiv keine Zeit mehr ist. Und dann kommt die lange Überfahrt nach Tobago.

Jetzt passieren wir erstmal den Flughafen Teneriffa Süd, auf dem ich vor drei Tagen gelandet bin. Und weiter südlich kommt dann die kleinere Insel La Gomera in Sicht, die wesentlich grüner erscheint als Teneriffa. Doch der Wind läßt nur eine gemächliche Überfahrt zu. So erreichen wir den Hafen von San Sebastian de la Gomera erst 0230 in der Nacht.

Doch trotz der späten – oder frühen – Stunde kommt per Fahrrad auf der Pier ein „Einweiser“ angeradelt und lotst uns zu einem freien Platz. Fest an der Pier verschwinden wir in die Kojen. Dieser erste Seetag hat mir schon mal riesig gefallen.

In San Sebastian wollen wir uns nicht allzu lange aufhalten, etwas sehen aber trotzdem. Das Kolumbus-Museum hat leider wegen Rekonstruktionsarbeiten geschlossen. So’n Mist, keine Tips vom Atlantik- Vorreiter. Gleich am Hafen gibt es eine Anhöhe, von der aus ein super Rundblick über die Stadt, den Hafen und hinüber zur großen Nachbarinsel Teneriffa zu haben ist. Da hinauf führt uns der Weg nach dem Frühstück. Der Teide grüßt gegen das Morgenlicht herüber.

Atlantik-Segeln:  Rückblick San Sebastian de la Gomera. Der Hafen liegt achteraus.
San Sebastian de la Gomera achteraus

La Gomera ist eine grüne Insel. Feuchte Nebel von See her verfangen sich in den Wäldern und sorgen für Frische und Nässe. Gern würde ich mehr als nur San Sebastian erkunden. Aber dazu bleibt keine Zeit. Am Nachmittag wechseln wir die Genua gegen das Passat-Segel.

Auch San Sebastian hat tolle Tavernen, wo wir nochmals einen geselligen Abend beim Vino tinto verbringen. Später werden wir noch von anderen deutschen Seglern auf die Yacht eingeladen und snaken dort ein wenig. Hauptthema ist, wie während der Überfahrt mitten auf dem Atlantik Wetterkarten abzurufen sind. Karsten wird es als früherer Funker der DDR-Seereederei mit dem Wetterplotter per Funkabruf probieren.

Der Vormittag geht mit Einkaufen drauf. Frische Ware soll an Bord. Bereits auf Teneriffa habe ich mit Karsten ein Stück Fischernetz gekauft, welches in einer Salon-Ecke an der Decke aufgespannt wird. Darauf lagern dann Bananen, Äpfel und weiteres Gemüse. Gegen Mittag rufen wir im Hafenbüro noch mal eine Wetterkarte ab. Die Welle steht gut, der Wind günstig, wir sind klar zum Auslaufen.

Atlantik-Segeln:  Beim Aufklaren an Deck nach dem Auslaufen aus dem Hafen von San Sebastian de la Gomera
Aufklaren nach dem Auslaufen vor La Gomera

Am frühen Nachmittag laufen wir aus, auf den „Spuren“ von Kolumbus! Kurs – Sao Vicente, Kap Verde. Gleich nach dem Verlassen des Hafens setzen wir das Passat-Segel. Dieser „Schmetterling“ am Vorstag soll uns nun die meisten Tage über den Atlantik ziehen. Es ist eine relativ einfache Route. Unter Skippern erzählt man sich immer wieder, „wenn Du bei La Gomera ein Strohbündel in den Atlantik schmeißt, kommt das ein paar Wochen später sicher in der Karibik an“. Die Passatroute wird deshalb ab Ende November gern für den Törn über den Atlantik genutzt – nachdem in der Zielregion Karibik die Hurrikan-Saison zu Ende gegangen ist.

Am ersten Nachmittag sitze ich zu lange in der Sonne. Oder trinke zu wenig. Oder habe nicht genug gegessen. Vermutlich alles zusammen. Jedenfalls ist mir gegen Abend nicht sehr wohl. Wenn auch weiter nichts passiert, zieht es mir irgendwie den Magen zusammen. Das ändert sich allerdings schnell zum Positiven, nachdem ich ein wenig in den Schatten gerückt bin und nochmal gut getrunken habe. Keine Seekrankheit. Das war die einzige kleine Schwächelei auf dem Törn.

Atlantik-Segeln: Kanaren-Insel  La Gomera liegt querab - offene See bis zu den Kapverden
La Gomera an Steuerbord querab

Für die Nacht teilen wir die Wachgänge ein. Zu bewältigen sind jeweils 3 Stunden. Ab 2100 bis Mitternacht, von Mitternacht bis 0300, der nächste bis 0600 und dann kommt der erste wieder dran – bis die anderen auf sind. Das ist meist so zwischen 7 und 8. Wir fahren unter einer Windfahnensteuerung. Der Wachgänger hat zu allererst die Aufgabe, Ausguck zu halten wegen der Möglichkeit der Begegnung mit anderen Fahrzeugen, oder treibenden Containern, oder Walen. Und natürlich, ob sonst alles o.k. ist, der Kurs weiter stimmt, das Wetter umschlägt usw. Ich habe einen kleinen Weltempfänger bei mir und suche dann manchmal die Deutsche Welle, um Nachrichten zu hören. Damit bin ich nicht ganz uninformiert, was in der Welt passiert, und kann so zum Frühstücks-Gespräch beitragen.

Wir sind mit 5-6 Knoten unterwegs. Der Kurs liegt leicht östlich vom geplanten, das ist kein Problem, da die vorherrschenden Winde uns sowieso eher in die andere Richtung drücken.

Zwei Nächte später passiert das fast von ganz allein. Das Mittagsbesteck zeigt uns, daß wir praktisch wieder auf Kurs liegen.

Atlantik-Segeln: Blaue See achteraus, Kurs südsüdwest - Kapverden, wir kommen!
Achteraus blaue See

Karsten hat das Kochen übernommen. Für die ganze Zeit. Er kocht auch noch bei 7-8 Windstärken, angegurtet am Herd. Daß ich Vegetarier bin, ist für ihn in Ordnung. Die Gerichte sind sowieso einfach, es gibt aller vier Tage das Gleiche. Ich habe mich damit arrangiert, jedoch zum Ende hin hängt mir das Einerlei gründlich zum Halse raus. Ist das Seefahrerromantik?

Später höre ich von anderen Yachties, was es dort so alles zu essen gibt und wie manche Smutjes wahre Delikatessen zusammenstellen. Da werde ich richtig ein wenig neidisch.

Meine Aufgabe wird, nachdem unsere Vorräte dahingehend erschöpft sind, aller 3 Tage ein Brot zu backen. Mein Opa und meine Mutter waren Bäcker. Ich habe dergleichen zwar nie wirklich praktisch gelernt, aber einige der Handgriffe wohl abgeguckt und es gelingt mir gut. Macht Spaß, unter Deck im ständig schwankenden hin und her geworfenen Boot zu stehen, Teig zu kneten und dann in die Röhre zu schieben. Es schmeckt, das knusprige Ergebnis wird gelobt und kommt an.

Atlantik-Segeln: Ein Brot aller drei Tage aus der Bordbäckerei
Aller 3 – 4 Tage wurde Brot gebacken

In der Nacht ist der Wind weitgehend eingeschlafen. Wir sind nur noch mit rund 3 Knoten unterwegs. Da die beiden Herren unter Termindruck stehen, heißt das: Diesel an. Das war nun nicht meine Vorstellung von einem Atlantik – Törn. Einen Tag lang brummelt der Diesel vor sich hin. Es sind noch rund 320 sm bis zu den Kapverden. Bei 5 Knoten Fahrt etwa 3 Tage. Dampferfahrt bei blauem Himmel, Sonnenschein und 1 Windstärke. Bestes Urlaubswetter. Den Tag verbringe ich vor allem mit Lesen und Rundumschau. Viele denken, so eine Seefahrt würde ganz schnell langweilig. Immer nur Wasser, Wolken und blauer Himmel. Für mich ist das überhaupt nicht so. Ich sehe da draußen ständig wechselnde Landschaften – Berge, Täler, mal mit Gischt, mal mit springenden Fischen, Wolkenbilder in ständig wechselnder Form und Farbe. Auch die See ist nicht einfach blau oder grün – die Farben ändern sich laufend.

Am Nachmittag holt ein Katamaran auf. Die Doppelrumpfboote sind schneller wie wir, auch bei leichtem Wind. Ich bin immer der Erste, der andere Fahrzeuge entdeckt. Weil mein Blick sowieso meist irgendwo draußen am Horizont hängt.

Heute geht uns auch noch das letzte Frisch-Gemüse aus. Ab morgen gibt es Dosen-Futter.

Da der Auto-Pilot nicht mehr zuverlässig arbeitet, steuern wir die Nacht über von Hand. Wenigstens dahingehend ist wieder ein wenig Gespür für die See da. Über das Rad gibt mir der Atlantik seine Macht zu erkennen. Eine Hand am Steuer, sitze ich eingekuschelt in der Ecke des Cockpits und schaue hin und wieder auf den Kompaß vor der Steuersäule. Allerdings muß ich mich dazu immer etwas vor recken. Bald habe ich eine Alternative gefunden – eine Peilung über das Achterstag und ein markantes Sternbild über mir. Das geht von meiner bequemen Sitzposition bestens. Aller 15- 20 min strecke ich mich sowieso mal richtig hoch und halte Rundschau. Bei der Gelegenheit kontrolliere ich nun auch noch den Kurs auf dem Kompaß. Die Nächte sind ziemlich kühl. Tagsüber nur mit T-Shirt und kurzen Hosen, habe ich nachts lange Hosen, Pullover und die Jacke vom Ölzeug an. Um den Hals hängt außerdem meine Stirnlampe, so daß ich im Fall der Fälle schnell eine Lampe für Decksarbeiten habe, auch ohne das Arbeitslicht am Großmast. Die Luft ist trotz der See um uns herum ziemlich trocken und etwas staubig. Der Wind weht aus Nordost und bringt Sahara-Staub mit.

Am nächsten Tag kommt der Wind zurück. Unter dem Passatsegel sind wir wieder mit 5- 6 Knoten unterwegs. Endlich stört nicht mehr das dauernde Brummen des Diesels die Ruhe auf See. Voraussichtlich werden wir Sao Vicente am morgigen Abend erreichen.

Atlantik-Segeln: Rudergänger Kurs Kapverdische Inseln - vor der Küste von Afrika
Rudergänger

Die See drückt jetzt von achtern mit gleichlaufenden Wellen. Das macht die Windfahnensteuerung nicht so richtig mit. Wir steuern abwechselnd von Hand. Bei der Welle von 3-4 m wird das Heck desöfteren angehoben und danach etwas seitlich unter dem Eindruck der nächsten Welle eingesetzt. Manche besonders hohen Wellen sorgen dann für eine unfreiwillige Dusche über das Cockpit. Es macht richtig Spaß, so zu steuern, daß der Kurs gehalten wird, die Segel gut stehen und trotzdem die Wellen ausgesteuert werden, um die Duschen zu vermeiden. Als Steuermann muß man ständig alles im Blick haben – Kurs, Segel, Welle, Lage… Mir gefällt das und ich kann Stunden so auf dem Ruderbock sitzen. Karsten löst mich zwar ab und zu ab, aber tagsüber bin ich die meiste Zeit am Steuer.

Gegen Abend senkt sich die Sonne vor uns nieder. Der Himmel ist von Südwest bis Nordost ein gleißendes Band. Irgendwo da vorn sollten die Kapverden auftauchen. Doch leider ist nichts zu erkennen. Es heißt, Kolumbus sei an den Kapverden vorbeigefahren, ohne sie zu sehen. Wenn die Situation auf seiner Reise ähnlich war, kann ich mir das gut vorstellen – ich sehe auch nichts. Erst als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, tauchen die Inseln vor uns auf. Und das schon ziemlich nahe. Gemeinsam mit Klaus, dem Skipper, plane ich die Ansteuerung. Ich will ja gern möglichst viele Erfahrungen sammeln und so gut es geht, navigatorische Praxis erlangen.

Atlantik-Segeln: Gastlandflagge Kapverden flattert unter der Steuerbord - Saling
Gastlandflagge der Kapverden

Um die Hafenbucht von Mindelo auf Sao Vicente zu erreichen, müssen wir zuerst ein Vorgebirge umschiffen und dann eine schmale Durchfahrt mit einem Felsgrat passieren. Einzelne Leuchtfeuer tauchen in der hereinbrechenden Dunkelheit auf. Ich nehme mir die Stoppuhr und versuche, diese anhand der Kennung laut Seekarte zu identifizieren. Eine schöne Übung, das bringt Abwechslung in den Bordalltag. In der Bucht können wir dann relativ frei navigieren. Mindelo bietet für Yachties keine Marina, sondern nur eine große Ankerbucht vor der „Seaside- Promenade“. (Inzwischen gibt es allerdings eine Marina). Gegen 2130 fällt an diesem 2. Dezember der Anker.

Kap Verde, Sao Vicente: Hafenbucht von  Mindelo
Bucht von Mindelo auf Sao Vicente

Heute ist nach 7 Tagen auf See Landgang angesagt. Dazu müssen wir das Hartschalen – Dinghi vom Vorschiff zu Wasser lassen. Eine halbe Stunde später motoren wir zum Ufer. Dort liegen schon ein paar Beiboote von den anderen Yachten. Einheimische Jugendliche lungern herum. Die verdienen sich ein paar Euros, indem sie auf die Dinghis aufpassen. D.h. „aktiv aufpassen“ – sie benutzen diese auch, um mal schnell Besatzungsmitglieder anderer Boote überzusetzen, die gerade kein Beiboot haben. Den Sprit für die Fahrten müssen sie selbst von der eingenommenen „Gebühr“ kaufen. Nach etwas anfänglichem Mißtrauen kommen wir zur Einschätzung, daß sie das sehr zuverlässig machen.

Zuerst geht es zum „Einklarieren“, d.h. zum Zoll und zur Einwanderungsbehörde. Diese finden wir zusammen mit anderen Yachties im Industriehafen. Wir holen uns gleich den Einreise- und den Ausreisestempel für den übernächsten Tag, dann brauchen wir dort nicht noch einmal hin.

Industriehafen von  Mindelo auf Sao Vicente, Kapverdische Inseln
Industriehafen Mindelo

Bei der Stadtbesichtigung suchen wir vor allem nach Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants für eine abwechslungsreiche Mahlzeit. Auch eine Dusche wäre nicht schlecht. wir werden an Bord nämlich mit Trinkwasser knapp gehalten. Duschen ist zwar im Cockpit möglich, aber da es vorläufig keine Möglichkeiten zum Bunkern von gutem Wasser mehr gibt, durften wir für „Ganzkörperhygiene“ noch nichts verschwenden. Ich bin mal wieder mit Karsten unterwegs und wir suchen uns ein schönes Restaurant. Als Karsten versehentlich in die Personal-Toilette gerät, entdeckt er dort eine Dusche! Nach freundlicher Anfrage erhalten wir die Erlaubnis, diese zu benutzen. Endlich wieder ein frisches Körpergefühl ohne Schweiß und Salz! Klar, daß es dafür ein ordentliches Trinkgeld gibt.

Am Abend besuchen wir alle zusammen noch ein anderes Restaurant. Dort wird live-Musik geboten. Es sind von den Kapverden verschiedene Musikstile bekannt, teilweise mit portugiesischem Einfluß, z.T. anderes. Bekannt ist der Morna als „Kapverde-Blues“, eine langsame Musik in moll-Tonarten. Wir vermuten, daß unsere musikalische Umrahmung in diese Richtung ging.

Am nächsten Tag bin ich mit Karsten wieder mit dem Einkaufen beschäftigt. Da es keine Stege gibt und auch keinen „Lieferservice“ wie auf Teneriffa, entleere ich meinen großen Rucksack und wir suchen den Discounter in der Nähe der Uferstraße auf. Neben Frischwaren kommen vor allem Konserven mit Gemüse an Bord. Dann haben wir erst einmal zwei Stunden zu tun. Die Konserven müssen in Seewasser eingeweicht werden. Danach bürsten wir die Etiketten ab und beschriften sie mit Edding neu. Auf diese Art und Weise soll verhindert werden, daß Kakerlaken- Eier an Bord kommen, die wohl oftmals hinter Konserven- Etiketten versteckt sind.

Den Abend verbringen wir dann im Clubo Nautico. Hier gab es wieder live- Musik, aber diesmal von einer Rockband. Das Publikum besteht aus Einheimischen, vor allem aber waren andere Yacht-Crews im Club. Wir hören, daß es hier auch eine Duschmöglichkeit gibt, doch diese ist wesentlich weniger komfortabel gegenüber unserer Restaurant- Dusche.

Am anderen Morgen stauen wir die neu eingekauften Lebensmittel. Klaus tuckert mit dem Beiboot durch die Bucht und erkundigt sich nach den Möglichkeiten zum Bunkern von Diesel. Es gibt eine Tankstelle, zu der wir herüberfahren können. Allerdings haben wir erstmal ein Problem. Der Anker läßt sich nicht heben. Ein Tauchgang in der relativ flachen Bucht ergibt, daß dieser sich in eine über den Boden laufende alte Ankerkette verhakt hat. Klaus geht nochmal runter und nach einigen Minuten ist der Anker klar. Dann fahren wir hinüber zur Tankstelle und füllen die Tanks.

Damit sind wir klar zum Auslaufen. Vor uns liegen rund 2100 sm bis zum Ziel auf der anderen Seite des Atlantik – die Insel Tobago in der Karibik. Auf unserer Seekarte habe ich eine gerade Kurslinie mit etwa West-Südwest eingezeichnet. Jeden Mittag kommt nun das „Mittagsbesteck“ dran, eine aktuelle Ortsbestimmung mit Eintrag in der Seekarte. Allerdings ganz simpel per GPS-Ablesung. Der Skipper behauptet zwar, er habe auch einen Sextanten an Bord und wir können damit mal richtig arbeiten. Ich bin da sehr interessiert dran und habe mir aus der Bordbibliothek schon ein Buch zur Astro-Navigation vorgenommen. Doch Tag für Tag verschiebt Klaus die Suche nach dem Sextanten, so daß mehr als Gerede über die Möglichkeit nicht zustande kommt. Vermutlich hat er diesen selbst noch nie ernsthaft benutzt und will nun seine Unwissenheit darüber nicht zugeben.

Atlantik-Segeln:  Seekarte mit Schiffsort - Eintragungen in den Gewässern der Kapverdischen Inseln
Seekarte mit Schiffsort – Eintragungen

In den Nächten begeistert mich zunehmend der spektakuläre Sternenhimmel. Noch nie habe ich soviele Sterne auf einmal gesehen. An Land werden diese durch die Lichter der Städte überstrahlt. Hier, auf See und in der Dunkelheit, können auch kleinere bzw. weiter entfernte Sterne mit ihrem Licht durchdringen und der Effekt ist unglaublich. Ich bedauere, daß ich keine Sternenkarte habe und nur so wenige Sternbilder kenne. Mein Vater hatte mir früher manchmal Geschichten von Kastor und Pollux und anderen Sternbildern erzählt, aber davon ist wenig hängengeblieben. Und den Laptop mit dem Linux-Programm „Stellarium„, was praktisch ein auf jeden Erdenort anpaßbares Planetarium bietet, habe ich auf die Seereise nicht mitgenommen.

Dazu kommt ein „Sternen- Meer“. Wo die Bugwelle das Wasser bricht und in den Verwirbelungen des Kielwassers reagiert ein Teil des Planktons mit phosphoreszierenden Erscheinungen, so daß auch im Wasser ein wahrer „Sternenschweif“ unser Schiff begleitet. In den Ohren liegt endloses Rauschen, mal stärker, mal leiser. Unter Deck, besonders in meiner Bugkoje, fehlen die Windgeräusche und es dringt das Gluckern der Bugwelle und des Kielwassers durch den Rumpf. Dazu kommen einzelne Ächz- und Stöhnlaute aus den Masten und der Takelage. Das ist die ewige Symphonie der See.

Beim Morgenspaziergang über Deck finden wir jetzt immer öfter „Fliegende Fische“. Leider vertragen sie die Fehllandung an Bord nicht und wir können nur die Leichen entfernen. Selten finden wir tagsüber die Unglücksflieger rechtzeitig genug, um sie lebend wieder in ihr nasses Element zu entlassen.

Atlantik-Segeln:  Fliegender Fisch an Deck der Segelyacht
Fliegender Fisch

Aber auch das ist ein weiteres Meereskino – Ereignis: Fliegende Fische beobachten. Diese steigen relativ waagerecht aus den Wellen auf, immer im Schwarm, und segeln dann 20 … 30 Meter über der Wasseroberfläche. Möglich machen das verlängerte und versteifte Brustflossen, die wie Tragflächen abstehen. Als Erweiterung der Speisekarte sind sie allerdings nicht so recht geeignet. Da ist nicht viel dran und der Korpus ist mehr verknorpelt.

Eine neue Aufgabe kommt hinzu. Da wir jetzt westwärts segeln, wird jeweils bei weiteren 15° West von Greenwich die Uhr um eine Stunde verstellt. Unser „Mittagsbesteck“ ergibt am 10.12. den Schiffsort 15° 22,86 N 33° 23,90 W. 33° West bedeutet einen Zeitunterschied von -2 Stunden zu UTC. Am Nachmittag schreibt Karsten in sein kleines privates Logbuch: „Heute Nachmittag noch 1492 Seemeilen bis Tobago. 1492 entdeckte Kolumbus Amerika“.

Am 13. Dezember schläft mal wieder der Wind ein. Damit die Herren ihr Weihnachts – date noch schaffen, laufen wir seit 0500 den ganzen Tag unter Maschine. Nach dem Mittagsbesteck fehlen uns noch 40 Seemeilen, dann haben wir die Hälfte der Strecke nach Tobago geschafft. Das geschieht in der folgenden Nacht. Ca. um 0200 am 14.12., also für uns mitten auf dem Atlantik, gibt es die erste Sichtung eines anderen Bootes, in nur rund 2,5 sm Entfernung. Ein Katamaran westwärts, ein kleines weißes Licht auf dem riesigen Ozean. Eigentlich hatten wir mit viel mehr Begegnungen gerechnet, denn Ende November startet auf Gran Canaria die ARC, die Atlantic Rally for Cruisers. Das ist eine Gelegenheit für relativ unerfahrene Blauwasser-Segler, in einem großen Teilnehmerfeld von mehreren hundert Yachten über den Atlantik zu segeln und dabei im Notfall andere Boote in der Nähe zu wissen. Allerdings liegt unser Kurs nach dem Abstecher auf die Kapverden vermutlich etwas zu südlich, so daß wir das Hauptfeld gar nicht tangieren. Nur die schnelleren Katamarane holen gelegentlich einen weiten Bogen, bevor sie den Kurs in die Karibik absetzen. Außerdem kommt dazu, daß unsere Sichtweite wegen der Erdkrümmung auf dem Atlantik ja gar nicht allzu groß ist. Von Deck aus können wir andere Boote, die ebenfalls nicht sehr hoch aufragen, nur bis in rund 5 sm Entfernung sehen. Vielleicht sind wir gar nicht so allein, wie es scheint – die anderen fahren nur hinter dem Horizont? Lediglich Masten und Aufbauten, oder die deutlich höheren Frachter der Großschiffahrt sehen wir über größere Distanzen – doch trotz Querung der wichtigen Schiffahrtsrouten von Europa nach Südamerika bekommen wir weiter keine anderen Fahrzeuge zu Gesicht.

Und immer noch läuft der Diesel. Erst am späten Vormittag frischt der Wind soweit auf, daß wir den Blister (ein Leichtwind-Segel) setzen können. Dieser schwebt wie eine riesige rotweiße Blase vor dem Hauptmast. Da dieser wie ein Spinnaker ausgebaumt wird und möglichst Wind im engen Winkel von achtern braucht, steuern wir wieder von Hand. Die Windsteueranlage ist zu träge dafür, so daß der Blister bei seitlichem Wind oder stark rollendem Schiff einfallen würde und wir jedesmal an Fahrt verlieren, bis er sich wieder mit Wind gefüllt hat. So erreichen wir jetzt 6 bis über 7 Knoten. Das ist für mich aber auch das größte Vergnügen – jetzt unter Handsteuerung, mit Wind im Segel fühle ich die Verbundenheit mit Wind und See besonders und freue mich, wie wir uns so langsam mit Hilfe der „Elemente“ in Richtung Amerika vorwärts bewegen. Da wir dabei konzentriert am Rad stehen oder sitzen und ständig Wellen, Kurs und Windänderungen beobachten müssen, werden für die Nacht die Wachwechsel auf 2 Stunden verkürzt. Schlafen oder Dösen an Deck ist für die Zeiten der Wache erstmal vorbei. Das macht jedoch nichts, da wir als Rudergänger gut zu tun haben und von selbst wach bleiben.

Atlantik-Segeln: Westwärts bei leichten Winden unter Blister
Unter Blister

Am 15.Dezember ist der schnelle Ritt vorerst mal wieder beendet. Wir fahren unter Diesel, weil der Wind uns nicht länger gnädig ist. Doch die Vorräte schrumpfen bereits deutlich, wir haben voraussichtlich nur noch für 24 Stunden Brennstoff. Tobago liegt 787 Seemeilen vor uns.

Gegen Abend kehrt der Wind zurück und wir setzen wieder den Blister. Doch die Freude über 6,8 Knoten Fahrt wärt nicht lange. Um halb neun zieht ein Unwetter auf. Schnell wurde der Blister geborgen und die Kutterfock an Steuerbord ausgebaumt. Als später der Niederholer des Spi-Falls brach, hatte sich unsere Idee für diese Nacht erledigt, die Genua zusätzlich nach Backbord auszubaumen und so mit verkleinerter Passat- Besegelung weiterzufahren. Wegen der heftigen Böen wettern wir eine unruhige Nacht über vor dem Wind nur mit der Kutterfock bei 3 bis 4 Knoten ab.

Atlantik-Segeln: An Deck bei rauher See
Rauhe See

Am nächsten Morgen hat sich der Wind beruhigt. Nun steht die Reparatur an. Das Einführen des neuen Falls mit Hilfe des losen Endes vom alten geht natürlich schief. So steigt Karsten mit dem Großfall gesichert in den Mast und fädelt das neue Fall von Hand über die Umlenkrolle.

Als soweit alles klar ist, kommt das Passat-Segel zum Einsatz und wir rauschen endlich wieder mit 6 Knoten westwärts.

Ich habe Frühwache, also von 0600 bis die anderen auf sind. Es ist ein herrlicher Sonnenaufgang und der Himmel tauscht das Nachtgrau gegen ein kräftiges Blau. Der Wind hat etwas nachgelassen, so daß wir nur noch mit 5 bis 5,5 Knoten unterwegs sind. Von Südwesten her kommt uns ein kleiner Schwarm mit 6 oder 7 springenden Tunern entgegen. Die bewegen sich fast wie Delfine auf uns zu. Erst 20 m vom Boot entfernt drehen sie auf Ost und ziehen mit langen Sprüngen an uns vorbei. Unser Mittagsbesteck ergibt eine Position: 12° 53,24 N 51° 32,00 W.

Atlantik-Segeln: Chillen im Cockpit mit Selbststeuer - Anlage und Kompaß-Säule
Kompaß-Säule im Cockpit

Seit dem Morgen des 18.12. hat sich die Geschwindigkeit auf 6 Knoten, in Spitzen sogar bis 7,5 Knoten erhöht. Ich bin hin und hergerissen. Einerseits macht die Rauschefahrt richtig Spaß und es läuft gerade alles bestens, andererseits nähert sich damit das Ende des Törns. Seit fast 5 Wochen bin ich jetzt an Bord, ich habe mich eingelebt und genieße jede Minute. O.k., daß der Sextant nochmal das Licht des atlantischen Himmels erblickt, wird immer unwahrscheinlicher. Damit schwinden die Chancen, noch wesentlich Neues zu lernen. Bei Klaus und Karsten geht es jetzt nur noch ums Ankommen und um das Weihnachtliche Wiedersehen mit ihren Frauen. Mir ist das eigentlich egal, mir geht’s ums Segeln. Voraussichtliches Einlaufdatum ist jetzt der 21. Dezember. Noch 400 Seemeilen trennen uns von Tobago.

Atlantik-Segeln: Vor dem Wind Kurs West - Tobago
Vor dem Wind Kurs West

Bis etwa 0530 am 19.12. ging die Rauschefahrt weiter, teilweise mit Spitzen sogar bis 8,5 Knoten. Dann brach diesmal der Niederholer des Backbord-Spi-Baums. Also, Passatsegel eingerollt, die Kutterfock aufgezogen und erstmal wieder eine Reparatur. Zum Glück ohne Mastkletterei, der Rest ist diesmal stabil genug, um den neuen Niederholer einzufädeln. Am späten Vormittag schiebt uns der Wind erneut mit 6 bis 7 Knoten unter Passatsegeln voran.

Der Vormittag des 20.12. bringt kleinere Geschwindigkeiten von 4,5 bis 5 Knoten und die zweite Begegnung seit den Kapverden – ein Frachter überholt uns an Steuerbord ca. 2 sm voraus. Außerdem tauchen die ersten landgestützten Seevögel auf. Zum Mittag sind es noch 125 sm bis zum Ziel.

Atlantik-Segeln: Fast geschafft!  Zollflagge und Gastlandflagge Trinidad and Tobago unter der Steuerbord - Saling
Zollflagge und Gastlandflagge Trinidad and Tobago

Der Morgen des 21. Dezember bringt die erste Landsicht – Tobago voraus! Gegen 1100 (UTC -4h) beginnen wir die Ansteuerung der Hafenbucht von Scarborough, der Hauptstadt der kleineren Teilinsel Tobago. Unter der Steuerbord – Saling flattern die Gastlandflagge und der Zoll-Wimpel. Die Versuche von Karsten als altem Seefunker, mit „Traffic-Control Tobago“ Kontakt aufzunehmen, scheitern. Es interessiert niemanden, ob wir kommen oder nicht. Wir aber kommen uns fast wie Kolumbus vor, der ein paar Jahrhunderte zuvor ganz in der Nähe glaubte, sich Indien auf der Westroute zu nähern. Es macht sich schon ein wenig feierliche Stimmung breit, den Atlantik nun überquert und die Karibik erreicht zu haben.

Atlantik-Segeln: Ankunft im  Port Scarborough auf Tobago
Port Scarborough Hauptstadt von Tobago

Langsam und inzwischen unter Diesel schiebt sich die Pronto in die Scarborough Bay. Vier oder fünf andere Yachten liegen bereits vor Anker. Backbord querab scheint ein rostiges Wrack auf der Seite zu liegen, regelmäßig von der Brandung überspült. Später wird von Land aus erkennbar, daß es sich doch nur um einen sehr regelmäßig geformten Felsen handelt. Gegen 1245 haben wir unseren Platz, weit genug vom Ufer entfernt und mit genügend Raum zu den anderen Yachten gefunden, um frei schwojen zu können. Der Anker fällt, meine Seereise ist damit leider zu Ende. Wir klarieren am gleichen Tag noch auf Tobago ein und nach einer letzten Nacht an Bord der Pronto bringt mich Klaus mit dem Beiboot zum Ufer. Karsten ist bereits am Vorabend mit einem der „Inselhopper“ – Flugzeuge weitergeflogen. Ich muß mir zumindest pro Forma ein Weiterreise – Ticket besorgen, welches meine Ausreise aus TT regelt. Dann muß ich mit dem Skipper nochmal zur Immigrationsbehörde und mich aus den Bordunterlagen austragen lassen. Ansonsten könnte es für den Skipper Probleme geben, weil er illegale Einwanderer nach TT geschmuggelt hat.

Trinidad and Tobago:  Yachten nach der Atlantik - Überquerung in der Bucht von Scarborogh / Tobago
Yachten in der Bucht von Scarborough / Tobago

Danach suche ich mir ein Quartier. Tobago ist in Weihnachtsstimmung. An den Straßenrändern stehen z.T. hüfthohe Boxen, aus denen ohrenbetäubender Weihnachtsreggae dröhnt. Daneben künden geschmückte Palmen und Lichterketten- Konstruktionen in der 24° heißen Sonne vom nahenden Christfest.

Lesen und teilen

War es Dir ein Vergnügen, diesen Beitrag zu lesen? Dann würde ich mich freuen, wenn Du den link dazu in Deinen sozialen Netzwerken teilst und auch Deine Freunde an diesem Vergnügen teilhaben läßt! Danke!


Werbung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to top